Türkei

Von Thessaloniki kommend fahre ich an der griechischen Küste entlang in Richtung Bosporus. Ein Angestellter bei einer Mautstelle auf der griechischen Autobahn ist überaus nett zu mir und schaut mich etwas mitleidig an, nachdem ich die ersten zwei Stunden Regen dieser Reise hinter mir habe und nach dem Portemonnaie krame. Doch die Gore-Tex-Kombi hält, was sie verspricht und sogleich lichtet sich die Wolkendecke auch wieder. Bei blauem Himmel und mit gemischten Gefühlen fahre ich an der türkischen Grenze an Vorposten, Polizei und Zoll vor. Basierend auf der Berichterstattung von Claus Kleber und co. könnte man annehmen, dass ich mich auf Fragen einstellen muss danach, welche Partei ich gewählt habe, ob ich politisch sei, ob ich Verbindungen in die Türkei habe. Doch nichts von alledem – ohne mein Gepäck genauer zu prüfen und nach etwas Smalltalk bekomme ich mit einem freundlichen “Hoşgeldiniz! – Welcome to Turkey!” einen Stempel in den Pass.

Befreiend sind die ersten Kilometer auf der türkischen Autobahn, die perfekt präpariert ist. Neben Gebäude- ist der Straßenbau eine Industrie, die in der Türkei hervorragend funktioniert. Als ich in Istanbul ankomme, ist es bereits dunkel und ich bin beeindruckt, dass ich bereits einige Kilometer vor meiner geplanten Ankunft in ein Hochhausmeer eintauche, während ich über die Stadtautobahn fahre. Es bilden sich ellenlange Staus, denen man mit dem Motorrad glücklicherweise meistens entgehen kann. Als ich dem Zentrum näher komme, fahre ich eine Tankstelle an und bekomme vom Tankwart sogleich einen Tee angeboten. Wo gibt’s denn sowas? Wie ich später erfahren soll, an so ziemlich jeder Tankstelle in der Türkei — was die Gastfreundschaft angeht, kann sich Europa da vielleicht noch etwas abschauen.

Ich verbringe einige Tage in Istanbul, eine wirklich beeindruckende Metropole. Da ich das erste Mal hier bin, fließen mit Blauer Moschee, Galata-Turm, Basar und Bosporus auch die großen Sehenswürdigkeiten in die Tagesgestaltung ein. Der Taksim-Platz steht dabei laut einiger Türken, mit denen ich mich unterhalte, spiegelbildlich für die sich abzeichnende Umorientierung der Türkei vom Westen hin zum islamischen Teil des Orient. In anderen Gegenden, zum Beispiel um den Galata-Turm, kann man das pulsierende Leben noch finden und überall gibt es Schwarztee, türkischen Kaffee und kleine Süßigkeiten. Auf dem Turm hat man die Sicht auf die beiden Teile der europäischen sowie die asiatische Seite und die Gebetsrufe von den Moscheen, die sich mit dem Klang von Sirenen vermischen ergeben die für Istanbul so typische Geräuschkulisse.

Mit der Fähre fahre ich übers Marmara-Meer weiter nach Yalova und schließlich über Eskişehir, einer Studentenstadt und Konya, der Wirkstätte des Philosophen Mevlana und bekannt für seine Derwische, weiter in Richtung Kappadokien.

Ich komme also in Göreme an und unverhofft sehe ich vor meiner Unterkunft das erste Motorrad mit deutschem Kennzeichen seit Österreich. Eine große, blaue Africa-Twin, die einem Mann namens Rosto gehört und voll mit Taschen und Koffern ist — derjenige muss wohl schon länger unterwegs sein. Wie ich später erfahre, ist er in gut fünf Monaten über Russland bis ans Meer gefahren und nun über die Südroute auf dem Weg heimwärts, weil das Verschiffen nach Amerika viel zu teuer gewesen wäre. Von Hamburg aus will er seine Maschine dann schließlich übersetzen. Als er erfährt, dass ich zunächst drei Monate bis nach Indien geplant habe, kommentiert er: “Du wirst danach auf jeden Fall weiterfahren”. Mal sehen.

In Kappadokien steht nun auch mein Geburtstag vor der Tür und ich treffe meinen Freund Paul aus München, welcher mit seiner Anwesenheit und mit Gewürz-Spekulatius ein bisschen Heimat mitbringt. Wir stehen am nächsten Tag um 5 Uhr auf, da wir eine Ballontour gebucht haben. Im Morgengrauen erheben sich bei entsprechender Witterung und Saison bis mehr als 100 Heißluft-Ballons über einer Landschaft aus Vulkanasche, die die Erosion über viele Jahre zu kegelartigen Felsen geformt hat. Der Anblick ist unwirklich und mit so vielen Ballons in der Luft ergibt sich ein einmaliges Panorama. In viele der Felsen sind Wohnräume oder Kirchen gehöhlt und so entsteht der Eindruck, man fahre durch Schlumpfhausen. Die nächsten Tage werden kalt und tagsüber ist es zwar sonnig, nachts hat es in Zentralanatolien aber schon Minusgrade, auf dem einige Dutzend Kilometer entfernten Erciyes liegt Schnee.

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